Der erste Blick vom westlich gelegenen Eingang zeigt eine reich und wie "aus einem Guß" dekorierte Kirche. Sie wirkt mit dem Eichengestühl, der Holzdecke, der Wandbemalung und den bunten Fenstern warm und einladend.
Die Ausstattung wäre für eine evangelische Dorfkirche viel zu aufwendig. Wir befinden uns aber hier in einer Schloßkirche!
Die Gestaltung ist der letzten "Erneuerung" von 1878 zu verdanken. Dabei gelang es, die historische Ausstattung auf harmonische Weise mit Neuem, wie der prächtigen Kassettendecke zu verbinden.
Der Altarraum samt Chorgestühl in der Gesamtansicht.
Chorgestühl? Sicher nicht für leibhaftige Chorherren bestimmt. Wo sollten die auf dem Dorf wohl herkommen? Natürlich sind es die Sitze für die "Herrschaften"!.
Alles im Geschmack des 19. Jahrhunderts mit dekorativen Schnitzereien in Eichenholz gestaltet. Vorbild für den Altar sei, sagen die Fachleute, ein frühgotisches Retabel (dt. = Altaraufsatz) mit dem zugehörigen bekrönenden Kruzifix.
Bemerkenswert auch die Ausmalung, die von Carl Julius Milde konzipiert worden ist. Die soll neoromanisch sein. Der ungebildete Normalchrist fragt sich: Wo befindet sich das Vorbild, romanische Malerei?
Leider kommen die zwar beschädigten, aber doch sehr dekorativen Fenster der Ostwand nicht zur Geltung, weil man direkt dahinter eine heute unbenutzte und durchaus entbehrliche Friedhofskapelle errichtet hat.
Bei den Figuren der Altarrückwand handelt es sich um wen? Bitte raten Sie! Die beiden mittleren Figuren sind hier mit einem Schaf bzw. Ähren zu sehen.
Wie der Altar ist auch die Kanzel mit Schnitzereien reich geschmückt. Im Halbrelief sind vier natürlich(?) männliche Figuren dargestellt, man vermutet die vier Evangelisten.
Wer von den Vieren ist dies? Welchen Vieren? Einer der Apostel, Johannes, Petrus, Paulus oder Jacobus soll es sein, wie uns der Bericht von der Einweihung (vgl. die Zeittafel) belehrt.
Die Figur verrät nicht ihren Namen. Aber ansehnlich ist sie.
Eine sehr formschöne, steinerne Taufe, ein richtiger, uriger Taufstein, wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert. Die Bemalung ist sicher nicht so alt. Man kann vermuten, daß er im Zuge der Kirchenrenovierung 1878 bemalt worden ist.
Ob er immer in Schlemmin war, ist fraglich. Denn es gibt, im nächsten Bild zu sehen:
Taufsteindeckel, achteckig.
Es muß eine achteckige Taufe gegeben haben, für die 1595 von den Patronen ein kunstvoll verzierter Deckel gestiftet wurde. Das Bild zeigt ihn ungereinigt, freigewischt nur die Jahreszahl. Die Inschrift beginnt: "ANNO 1595 HATT CLAUS THUN VND ANNA VON ... Dazu passende Taufen stehen heute in Semlow und in Ahrenshagen.
Das Taufbecken, eine sehr schöne Messingarbeit, ist auch der Betrachtung wert. Es zeigt den Sündenfall in sehr altertümlicher Darstellung mit unleserlicher Umschrift.
Diese Schale hat eine Schwester in Wollin, Kreis Uecker-Randow. Die ist zwar in sich etwas anders geformt, der Sündenfall ist aber kaum von unserem Schlemminer zu unterscheiden. Die Wolliner Schale wird auf die Zeit um 1700 datiert, wurde 1945 auf der Flucht in einem Straßengraben gefunden und hat danach zum Füttern der Gänse gedient.
Auch unsere Schale sieht so abgenutzt aus, als habe sie außer dem Ersäufen der Sünde auch anderen Zwecken gedient.
Zur Atmosphäre tragen wesentlich die bunten Fenster bei, welche nicht etwa biblische Geschichten, sondern ausschließlich Wappen der Patrone und der angeheirateten Familien zeigen.
Im Bild eines der gut erhaltenen Fenster, versehen mit dem Datum des 14. Dezember 1892 (anläßlich der Hochzeit?) und der Schriftleiste: "Leonhard Graf zu Stolberg Wernigerode u. Bertha Thekla Gräfin zu Solms Rödelheim"
Dichter ran? Bitte klicken, etwas Geduld ist vonnöten:
Zu den wenigen Zeugnissen aus der Zeit vor der Kirchenreparatur zählen Epitaphe (Grabplatten), wie man sie aus großen Stadtkirchen kennt.
Hier eine Gestaltung mit den Reihen der knieenden Familienmitglieder, die zeitweise in Mode gewesen sein muß, denn man sieht diese Art Epitaph öfter. Allerdings ist die Bemalung ungewöhnlich; man darf vermuten, daß wir sie der Renovierung von 1878 verdanken.
Schadet sie? Gewiß nicht, wie oft ist man Epitaphien dieser Art, die gewöhnlich schlohweiß sind, vorbeigelaufen, ohne überhaupt auf sie zu achten?
Es handelt sich hier um die Patronatsfamilie von Thun. Das angegebene Jahr ist 1594.
Unten in der Mitte, die Familie trennend, Freund Hein, Gevatter Tod, der Sensenmann. Es gab viele Namen für ihn, der hier ein bißchen steif und in kindlichen Proportionen dargestellt ist. Der Volksmund wußte um seine Unausweichlichkeit und die Namen belegen es: Man pflegte familiären Umgang mit ihm. Er war kein Feind, sondern der Freund, der seine Pflicht tut. Diesen Tod mußte man nicht "besiegen", denn seinerzeit nannte man sein Tun noch völlig unbefangen "Erlösung".
Er trägt ein Stundenglas; Symbol für das "Verrinnen" der Zeit. Ein Symbol nur, denn er pflegt zu sagen: "Dein letztes Stündlein hat geschlagen", Stundengläser schlagen nicht, das tun nur Turmuhren (und ungezogene Halbstarke). Moderne Uhren, die immer im Kreis laufen, oder ewig vor sich hinzählen, verbergen geradezu, daß Zeit unwiderruflich dahingeht und irgendwann - für mich - abgelaufen ist.
Unser Freund trägt eher als Zeichen, denn zur Benutzung die Hippe (Sense). Eine Sense mit so breitem Blatt kann nicht oft geschärft worden sein!
Die Vertrautheit mit dem Tode (neudeutsch: die Akzeptanz), die das beste Mittel gegen die Angst ist, ist uns verloren gegangen.
Das Bild des Verstorbenen Claus Thun, der seinen vier Söhnen nicht vorsteht, sondern voran kniet.
Hier seine Ehefrau und die Töchter. Das Alter aller drei ist erkennbar, offenbar ist die zweite Tochter, weiß gekleidet und mit Palmwedel, schon gestorben.
Es ist ein frommes und tröstliches Bild, daß die Familie in Anbetung vereint ist; die Grenze zwischen Leben und Tod wird nicht verleugnet, ist aber bedeutungslos.
NACHDEM DER EDL ... EHRENVESTER CLAVS THVN MIT SEINER GELIEBTEN HAVSFRAWEN, ANNA VON OLDENBVRG 16 IAHR IM EHESTAND GELEBET UND IN WEHRENDEM EHESTAND 4 SÖHNE UND 3 TOCHTTER.MIT IHR GEZEVGET HATT NVN ABER NACH GOTTES GNEDIGEM WILLE.DEN 5 DECEMBRIS ANNO 1594 ALHIE ZV SCVHLEMMIN.SANFT VND SEHLIG.IN DEM HEREN ENTSCHLAFEN IST, ALSZ HATT SEINE VIELGELJEBTE,HINTER LASSENE BETRVBTE WITTWE,IHM DIS EPITAPHIVM ZV EHREN.NACHSETZEN VND MACHEN LASSEN, DER LIEBE GOT, WOLLE IHME VND VNSZ ALLEN, EINE FRÖLIGE AVFERSTEHVNG, GNEDIGLICH VERLEIHEN, AMEN.
Seine Souveränität beweist der unbekannte Künstler auch im Umgang mit der Bibel - an welcher Stelle? - wie im Handwerklichen (Schriftverteilung).
Lesehilfe:
HIOB * 19
ICH WEIS DAS MEIN ERLOESER CHRISTVS LEBET, UNDT EHR WIRDT MICH HERNACHMALS AVS DER ERDEN AVFWECKEN UNDT ICH WERDE DARNACH MIT DISSER MEINER HAVT ...
Wer den Text in Hiob 19,25 nachschlägt, wird sich wundern. Die obige Lesart stammt, bis auf ein entscheidendes Detail, von Luther.
Zum Abschluß noch einige Eindrücke:
Ein nur scheinbar neues Schmuckstück, die Lampe im Altarraum. Sie stammt von 1772. Über ihre Wiederbelebung an anderer Stelle mehr.
Blick auf eines der neogotischen Fenster. Die Ziegel sehen so neu aus, daß man annehmen muß, sie stammen, ebenso wie die Fenster, aus der Zeit des Umbaus, 1878. Allerdings ist die Kirche in ihrer Substanz unzweifelhaft gotisch.
Der Altarraum zum Erntedankfest geschmückt. Obwohl die Kirche so reich dekoriert ist, verträgt sie auch noch diese zusätzliche Farbenfülle.
Die Schlemminer Kirche bietet, selbst wenn man den Kunstgeschmack vom Ende des vorletzten Jahrhunderts nicht teilt, einen sehr würdigen, aber auch heiteren Rahmen für Gottesdienste aller Art: Festliche wie schlichte gleichermaßen.
Wer's nicht glaubt, ist herzlich eingeladen, es auszuprobieren! (zum Gottesdienstplan hier klicken!)